29. Januar 2020
Besondere erste Begegnungen
Wir, Ina, Madita und Sarah begleiten dieses Jahr Wolfgang und Christian für drei Monate bei der Projektarbeit bei Creacting India in Bodhgaya.
Ich, Sarah, bin 20 Jahre alt und bin in der Nähe von Bremen mit zwei großen Brüder in einem Dorf namens Ottersberg aufgewachsen.
Ina, 19, und Madita, 21, sind Schwestern und kommen aus Baden-Württemberg. Sie sind Teil einer siebenköpfigen Familie und, genauso wie ich, das erste Mal in Indien.
Unsere Reise begann mit einer dreitägigen auf und ab Fahrt von Frankfurt, über Dubai nach Delhi. Von dort aus sind wir 12 Stunden weiter mit dem Zug nach Gaya gefahren, wo wir von Vinod und Abhi überraschend vom Bahnhof abgeholt wurde und gemeinsam uns auf den Weg nach Bodhgaya gemacht haben, wo wir nun seit drei Wochen leben.
In Delhi erlebten wir unseren erste Kulturschock. Wir kamen gegen vier Uhr Nachts indischer Zeit am Flughafen an und suchten uns erst einmal ein Taxi. Das Angebot war riesengroß, sprich jeder wollte uns fahren. Schlussendlich nahm ein junger Mann uns alle fünf, Wolfgang, Moana, Ina, Madita und mich, plus Gepäck in einem Auto mit. Wir waren bis oben hin bepackt und stapelten uns auf den Sitzen, keiner hätte gedacht, dass das alles in dieses kleine Auto passen würde. Dann ging es auf die Straße. Nachts um fünf waren die Straßen komplett überfüllt. Der Schock entstand nicht nur dadruch, dass der Verkehr links fährt, was schon für genug Verwirrung sorgen könnte,sondern die Menschen fuhren kreuz und quer über die Straßen. Mindestabstand existiert faktisch nicht, Spureneinhaltung wird eher klein geschrieben und Hupen ist wohl eine ganz gute Alternative zum Bremsen.
Da war die Müdigkeit bei uns schnell vergangen. Wir hatten alle wohl etwas Angst während der Fahrt, aber auch einen haiden Spaß. Es war eine tolle, aufregende erste Erfahrung in Indien.
Als wir nun nach drei Tagen Reise endlich in Bodhgaya ankamen, stand uns allen der Sinn nur nach Schlafen. Dies wurde uns aber nicht gleich gewährt. Zum Einen war es Morgens und zum Anderen hatten die Inder andere Pläne für uns. So brachten Abhi und Vinod uns zuerst in das Center von Creacting India. Dort erwartete uns der nächste Kulturschock, aber ein wunderschöner.
Die gesamte Gruppe hatte ein Begrüßungsritual für uns vorbereitet. Wir wurden in den Theatersaal geführt und jeder auf einen Stuhl gesetzt. Dann startet eine traditionelle Begrüßungszeremonie mit Farbe im Gesicht, Blumenkränzen und Segnungen.
Anfangs viel es uns schwer uns alle Namen zu merken aber wir haben es sehr schnell gelernt und alle sind uns schon sehr ans Herz gewachsen.
Nachdem wir dann erst einmal 15 Stunden geschlafen hatten begannen wir uns in unserem neuen zuhause hier einzurichten.
Wir wohnen nur wenige Meter vom Center entfernt in einer schlichten, aber verglichen mit den umliegenden Häusern, sehr guten Unterkunft mit einer Art Garten oder Innenhof wo wir anscheinend für indische Verhältnisse relativ viel Privatsphäre haben. Trotzdem werden wir ständig von den Nachbarn beobachtet, vor allem Shanti,eine 65 jährige herzliche Frau, die zur Familie unseres Vermieters gehört, guckt immer nach uns, was manchmal anstrengend sein kann aber auch echt süß ist. Das ist wohl die indische Art sich um seine Gäste zu kümmern.
Unser neues Zuhause, Bodhgaya, ist ein sehr heiliger Pilgerort. Das wurde uns in den ersten zwei Wochen schnell bewusst. Die ganze Stadt war voller Mönche und Menschen, da der Dalai Lama zu Besuch war. In der Mitte der Stadt wurde ein großer Platz eingerichtet auf dem der Dalai Lama mit allen Menschen zusammen gebetet hat, Belehrungen hielt und Segnungen durchführte.
An einem schönen Sonntag haben wir uns morgens um sieben aus dem Bett geschält und sind zu einer dieser zwei stündigen Veranstaltungen gegangen. Alle Menschen saßen um die Hauptbühne auf kleinen Matten und haben dem Dalai Lama zugehört, mit ihm gebetet und gesungen. Für uns war es sehr schwer der gesamten Zeremonie zu folgen, da er nur auf Tibetisch gesprochen hat und wir eine sehr schlechte, leise englische Übersetzung auf einem kleinen Radio hatten, welche auch erst nach einiger Zeit funktioniert hat. Trotzdem war die Erfahrung, in der Nähe eines sehr weisen, mit positiver Energie durchströmten Menschen zu sein, ein besonderer Moment für mich.
Dies war jedoch nicht unsere letzte Begegnung mit diesem alten, sehr verschmitzten, freundlichen Mann. Eine Woche später hatten wir Deutschen die Möglichkeit ihn ein zweites Mal in seinem Kloster zu treffen. Dort konnten alle Ausländer, die sich für diesen Tag angemeldet hatten, zusammen in einem kleinen Raum sitzen und erst einer kleinen Rede des Dalai Lamas folgen und anschließend Fragen an ihn stellen. Er saß die gesamte Zeit in einem normalen Bürostuhl nur ein paar Meter von uns entfernt und sprach ruhig und gelassen zu uns allen. Dabei füllte dieser 84 jährige herzliche Mann mit seiner positiven Präsenz den vollen Raum aus. Eine sehr einprägende und besondere Erfahrung für mich.
Allgemein kommen wir nach drei Wochen in diesem bunten Land langsam wirklich an. Wir haben das letzte Wochenende unseren ersten Intensiv-Theater-Workshop gehabt und finden alle langsam unsere Aufgaben. Wir drei haben uns hier zum Beispiel zu Aufgabe gesetzt die gesamte indische Gruppe auf den neusten Stand der Klimakrise zu bringen, was uns einige Schwierigkeiten bringt, da sie ein komplett anderes, oder auch nicht vorhandenes Grundwissen über den aktuellen Klimawandel haben. Jedoch tasten wir uns mit ersten Erfolgen, wie Kurzreferaten über Themen, die wir ihnen gegeben haben, an eine Basis an, mit der wir weiter arbeiten werden.
Das gesamte Leben hier hat immer seine Auf und Abs, aber diese positive Art, die herzliche Lebensweise und das ständige Lachen mit allen Menschen hier, färbt langsam einfach nur ab. Die Gruppe nimmt uns ohne Vorurteile in ihre Familie auf und lässt uns jeden Tag spüren, dass wir ein Teil der Gemeinschaft geworden sind. Selten habe ich ein so wunderbares, berührendes Gefühl in mir gespürt und wir alle freuen uns auf die kommende Zeit mit diesen unglaublich tollen Menschen.
Sarah
11. Februar 2020
Unser indischer Alltag
Nach nun sechs Wochen stehen wir alle fester und tiefer in unseren Aufgaben.
Wir haben die Klima-Arbeit mit der gesamten Gruppe weitergebracht. Wir haben ihnen eine Grundbasis vermittelt und können nun mit diesem Fundament wirklich gut arbeiten. Es entstehen eigene Impulse aus der Gruppe und das allgemeine Interesse an dem Thema wächst immer mehr. Dies zu beobachten, macht mich glücklich und es freut mich, dass unsere Arbeit die Menschen hier auch persönlich anspricht und ein Spaß am Lernen entsteht.
Unser Alltag besteht mittlerweile aus meistens einem Theater- oder Klimaworkshop, unterschiedlichen Aufgaben am Morgen und Mittag und gemeinsamen Essen gehen, oder Kochen am Abend. Schlussendlich wird der Abend/Nacht oft an einem gemütlichen kleinen Feuer in unserem Garten ausgeklungen.
Der gesamte Januar war vollgepackt mit Workshops. Der Theatershow fehlten noch ein paar Szenen, die im Laufe der Zeit durch unterschiedliche Improvisationen entwickelt wurden. Nun befinden wir uns an einem Punkt an dem ein so gut wie komplettes Theaterstück steht. Darüber ist jeder sehr froh, denn in den nächsten Wochen wartet schon die nächste Aufgabe auf uns. Das Stück soll nun verfilmt werden.
Vorher müssen aber alle Kostüme "stehen". Nach einem sehr intensiven Tag in Gaya, an dem wir uns mit Stoffen, Hosen, Shirts und Kleidern eingedeckt haben, kommt nun jeden Tag Vinods Schwester, Baby, die uns alle Kostüme nach meistens Inas, Maditas und Wolfis Anweisungen zusammen schneidert. Somit bekommt das gesamte Stück langsam auch Form und Farbe.
Neben all diesen Arbeiten kommen wir aber auch manchmal raus aus unserem kleinen, aber sehr gemütlichen Heim.
An Vinods Geburtstag sind wir mit den Bikes raus zur Aozora School gefahren und haben dort mit den Kindern und den Lehrern gemeinsam gefeiert. Das bedeutet in Indien, dass eine große Torte gekauft wird, eine Menge Fotos gemacht werden während das Geburtstagskind den Kuchen anschneidet und anschließen die Freunde und Familie sich diesen Kuchen ins Gesicht schmieren. Der Rest, der dann noch übrig ist, wird dann gegessen.
Dort in der Schule haben wir dann kleine Schälchen aus Blättern mit jeweils einem Stückchen der Torte an knapp 50 Kinder verteilt. Die Kinder saßen alle zusammen auf dem Boden und haben diesen Kuchen ehrfürchtig entgegen genommen. Dabei kam ich mit den meisten Kindern in einen kleinen persönlichen Kontakt. Auch wenn es nur ein kurzer Moment war, habe ich es sehr genossen die Freude und Wertschätzung dieser Kinder in ihren Augen zu sehen. Der gesamte Raum schien für eine Weile in einer anderen gefühlvolleren Atmosphäre für mich zu schweben. Diese liebevolle Dankbarkeit der Kinder hat mich sehr berührt.
Mittlerweile begrenzt sich unser Dasein auch nicht nur auf die Arbeit. Die persönlichen Schicksale begleiten uns jeden Tag. Manchmal sind wir auf Geburtstag in den Familien eingeladen, begleiten die Kinder zu Arztbesuchen, oder erleben mit ihnen schöne Erfahrungen beim gemeinsamen Kochen, Herumfahren und Einkaufen gehen. Unser Leben findet nicht nur in der Arbeit statt. Diese Entwicklung genieße ich persönlich sehr. Es fühlt sich richtig an, es bringt ein vollkommenes Lebensgefühl mit sich.
Seit knapp einer Woche ist unsere deutsche Gruppe um drei Mitglieder gewachsen. Antonia, Mariton und Frieder sind nun ein Teil unser Indiengemeinschaft 2020 geworden. Antonia ist eine Dozentin für Theaterpädagogik. Sie unterstützt mit ihrem Wissen den gesamten Prozess und leitete nun auch einen Theaterworkshop für Lehrer aus den umliegenden Schulen. Dabei war es für mich sehr spannend zu sehen, wie sie mit kleinen Übungen aus blutigen Anfängern eine Spielfreude gekitzelt hat und eine Gruppendynamik über die traditionellen indischen Grenzen hinaus entstand. Ein toller Nachmittag, der großes Interesse bei den Spielerinnen und Spielern geweckt hat und mit Sicherheit Früchte in weiteren Workshops tragen wird.
Am gleichen Abend haben wir uns auf den Weg zu einer Hochzeit gemacht. Für mich
war es das erste Mal: unglaublich gutes Essen im Überfluss, viele viele Menschen in traditionellen indischen Gewändern, Hochzeitsriten und eine lange Zeit einfach nur Warten. Wir waren dort mit
den Meisten aus unserer deutschen und indischen Gruppe und haben uns die Wartezeit mit Tänzen und Gesprächen vertrieben. Eine tolle, bunte neue Erfahrung neben dem nun recht eingespielten
Alltag.
Sarah
24. Februar 2020
Abenteuerliche Reisen
Der so eingespielte Alltag wurde nun vollkommen über den Haufen geworfen. Wir
hatten einen Marathon an Workshops. Einen Tag Theaterworkshop, den nächsten Klimaworkshop, dann Theater in verschiedenen Schulen in der Umgebung, wieder Klimaarbeit und zum Abschluss ein
Theaterworkshop nur für Frauen unter Antonias Leitung. Eine intensive Woche mit unterschiedlichen Highlights.
Ich habe Vinod zu zwei Theaterworkshops mit Kindern in Schulen begleitet. Eine ganz neue, andere Atmosphäre. Beide Workshops hatten eher etwas von gruppendynamischen Übungen als von „richtigem“
Theaterspiel, was mich jedoch überhaupt nicht gestört hat.
Es war ein wunderbares Gefühl von knapp 25 8-14 jährigen Kindern
umringt zu sein (kaum eines von ihnen sprach Englisch). Trotzdem habe ich diese Verbundenheit über die Bewegung, über die gemeinsame Aktion, über das Zusammensein gespürt. Der Zweite der beiden
Workshops fand in der Aozora School statt. Da Vinod dort Englischlehrer ist, war keine all zu große Kontaktscheu der Kinder vorhanden. Es entstand ein lebhafter Austausch der Kulturen zwischen
Ina, Madita und mir einerseits und quirligen jungen Menschen auf der anderen Seite, die wissbegierig zu uns aufschauten.
Während dieses Workshops hatte ich einen sehr persönlichen besonderen Moment mit einem ungefähr 9 jährigen, zarten, bestimmt vier Köpfe kleineren Mädchen. Vinod gab uns allen die Aufgabe sich zu zweit zusammen zu begeben und zu Musik die Bewegung des jeweiligen Partners zu spiegeln. Dadurch entstand die Szenerie, dass ich auf dem Rooftop der Aozora School, in vollem Sonnenschein, inmitten von 20 lebhaften Kindern einen stummen, besinnlichen und wunderschönen Moment mit diesem jungen Mädchen erlebte. Wir konzentrierten uns beide vollkommen auf die Bewegung des jeweils Anderen. Ich spürte ihren fokussierten Blick auf mir und genoss zu sehen, wie ihre Augen dabei leuchteten. Ihre Körperführung war so zart, doch gezielt. Sie folgte mir nicht und ich folgte ihr auch nicht, es war eher wie ein gemeinsamer langsamer, ruhiger Tanz. Diese Begegnung hat bei mir eine tiefe Zufriedenheit hinterlassen. Manchmal entsteht in all dem ganzen lauten, vollen, hektischen indischen Alltag ein Moment des Friedens und der Ruhe.
Der gesamte Workshop war für mich wunderbar. Der Abschluss mit all den Kindern war, dass wir zusammen in einem Klassenraum zu lauter indischer Musik frei getanzt haben. Auch das ein lebendiger, herzlicher Austausch über Bewegung und vor allem übers gemeinsame Lachen
Nach den vielen Workshops war aber nicht an Ruhe zu denken. Die Dreharbeiten begannen direkt am nächsten Tag. Wir fuhren mit Bikes und Rikshas eine Stunde lang durch das wirkliche ländliche indische Leben zu einem Berg auf dem wir shooten wollten. Nach kleinen Rückschlägen, wie fehlenden Musikboxen, schafften wir es nach einer kleinen Kletterpartie mit Affenbegegnungen auf den Berg hinauf. Dort waren wir der blanken Sonne und einem uneben Untergrund ausgesetzt, der nicht gerade für Tänze gemacht war. Trotz der nicht optimalen Umstände entstanden tolle Aufnahmen, jedoch hatten wir durchgehend einen Zeitdruck im Nacken denn am Abend ging es für uns und die gesamte Gruppe mit dem Bus nach Kolkata.
Busfahren in Indien ist absolut nicht das Gleiche wie Busfahren in Deutschland: Erst einmal sieht der Bus anders aus. Es gibt zwei Sitzplätze auf jeder Seite, einen Gang in der Mitte und über den Sitzen sind Schlafkojen montiert, in denen zwei (oder mehr) Menschen problemlos Platz finden. Der gesamte Bus ist, nett ausgedrückt, etwas rustikal, denn es gibt eine Menge Eisengegenstände an denen man sich sehr gut jegliche Körperteile stoßen kann, was auch durchgehend passiert. Die indischen Straßen haben nämlich mehr was von Huggelpisten mit tiefen Abgründen zwischendurch, als von gut gepflasterten Wegen. Zudem weicht der große Bus auch recht ungern diesen Hindernissen aus. Es gibt nur eine Option: mitten durch. Daher braucht man für eine Busfahrt in Indien ein gutes Gleichgewichtsgefühl, schnelle Reaktion um sich zu beschützen und allgemein starke Nerven, um auf einer solchen Rumpelfahrt den Spaß daran nicht zu verlieren.
Trotz all diesen Strapazen hat Madita und mir diese 13 stündige Fahrt erstaunlich viel Spaß gemacht. Es entstand eine unerwartete Freude daran sich auf so engem Raum mit so vielen Menschen durchschütteln zu lassen.
Jedoch war jeder recht froh als wir alle mit müden Augen und schmerzenden Gliedern in Kolkata ankamen. Für mich fand der folgende Tag in Kolkata leider nicht wirklich statt, da mich eine Krankheit ziemlich ans Bett fesselte, aber die Anderen erlebten einen aufregenden Tag in der bunten, lauten, vollen Stadt.
Der Rest der Gruppe machte sich auf um unter dem angeblich größten Baum der Welt ein paar Szenen für unseren Film zu drehen. Dieser Plan wurde nach einer verwirrenden Fahrt im Taxi quer durch die Stadt zerstört, da sie keine Erlaubnis bekamen dort mit den Kameras und den Requisiten hinein zu gehen. Danach war die Stimmung eher geknickt, jedoch veränderte die abendliche Shoopingtour den allgemeinen Gemütszustand sehr. Die Jugendlichen warfen sich mit Ina und Madita alleine ins Getümmel und genossen die Masse an Möglichkeiten. Sie ließen sich einige Stunden treiben und kamen schließlich alle erschöpft, aber strahlend und zufrieden zurück ins Hotel, denn am nächsten Tag ging es schon wieder weiter ins nächste Abenteuer, das Meer.
Für einige der Jugendlichen war es das allererste Mal in ihrem Leben, dass sie das Meer sahen. Wir standen alle um viertel nach fünf Uhr morgens auf, um vor Sonnenaufgang am Strand zu sein. Unser Plan war es dort in der Frühe mit aufgehender Sonne über dem Meer zu tanzen. Ich hätte niemals gedacht, dass sogar um kurz vor sechs Uhr morgens der Strand voller Inder sein kann. Dies war jedoch der Fall. Wir suchten uns eine freie Stelle direkt am Meer und begannen im Sand und im Wasser zu tanzen. Schnell bildete sich eine Gruppe von Zuschauern, aber das war nicht schlimm. Es war ein tolles Gefühl die Füße in den Sand zu graben und im Schein der langsam wärmenden Sonne mit allen zusammen zu tanzen. Eine neue wunderbare Erfahrung, die jegliche Anstrengungen der letzten Tage und der gesamten Reise für mich wegblies.
Diese Augenblicke am Strand waren für mich so gut wie der gesamte Inhalt der Reise, denn ein paar Stunden später saßen wir schon wieder in einem Van in Richtung Kolkata um dort sechs Stunden auf einen Bus zu warten, der dann 15 Stunden zurück nach Bodhgaya fuhr. Vier Tage, viele Stunden in Bussen, schwere Hindernisse, aber auch wunderbare Momente für die sich der gesamte Aufwand gelohnt hat. Vor allem war es mal toll etwas heraus zu kommen, eine andere Umgebung zu sehen und das indische Leben in einer weiteren Fassette zu erleben. Ebenso war es sehr schön mit der Gruppe dadurch noch enger zusammenzuwachsen, sich noch intensiver kennenzulernen und gemeinsam die Herausforderungen zu meistern.
25. März 2020
Ein plötzlicher, aber würdiger Abschluss
Ein kleines Update von unserer Situation hier in Indien im Bezug auf die Coronavirus-Krise.
Nach drei Tagen in Bhopal bekamen wir die Nachricht, dass Frieders und Christians Flüge gestrichen wurden und sie unverzüglich nach Delhi aufbrechen müssen, um für einen Ersatzflug zurück nach Deutschland bereit zu stehen. Wolfis, Inas, Maditas und mein Flug war zu dem Zeitpunkt noch auf dem Flugplan. Dadurch entschieden wir so lang es für uns möglich wäre in Bhopal zu bleiben, das Projekt so weit es geht zu Ende zu führen und die letzten verbliebenen Tage mit der gesamten Gruppe voll auszukosten. Trotzdem hing nun immer das ungute Gefühl über uns, dass jeden Moment der schwierige Anruf kommen könnte, der sagt, dass wir nun auch sofort nach Delhi aufbrechen müssten, um das Land noch vor einer endgültigen Flugverkehreinstellung verlassen zu können.
Es kam dann wieder anders, als erwartet. Einen Tag nach Frieders und Christians Abreise erreichte uns die Nachricht, dass nun auch eine nationale Ausgangssperre auf Indien zukäme und alle Fortbewegungsmittel in ganz Indien eingestellt würden und die Flughäfen in ganz Indien schließen würden, somit waren unsere Flüge am 26. auch gestrichen. Daraufhin entschieden wir so schnell es geht aus Bhopal mit der gesamten Gruppe nach Delhi zu fliegen und die Kinder dann im zweiten Schritt auf den Weg nach Bodhgaya zu senden, damit sie vor der Ausgangssperre wieder zurück bei ihren Familien wären und in Sicherheit die nun auch immer brennslicher werdende Situation hier in Indien auszusitzen.
Als wir nach nun leider auch nur sechs Tagen in Bhopal unsere Sachen packten, am Abend vorher die letzte gemeinsame Abendrunde mit den Kids hatten, war die Stimmung etwas gedrückt. Uns war in den Tagen zuvor schon bewusst, dass unser Projekt kein normales, friedliches Ende finden würde. Das hat uns schon die plötzliche Abreise von Christian und Frieder gezeigt, jedoch war da stetig die Hoffnung auf noch etwas mehr Zeit mit allen zusammen. Glücklicherweise, hatten wir einen gemeinsamen letzten Tag an dem wir zu dem wunderschönen, größten menschengemachten See in ganz Asien fuhren, kleine Boote mieteten und raus auf eine Insel schipperten. Die meisten der Inder können nicht wirklich schwimmen und hatten daher etwas Bedenken sich in das kleine, wackelige Boot zu setzten. Trotzdem verflogen diese Gedanken ganz schnell, als wir im Sonnenuntergang, mit Gesang der Inder und einer angenehmen, gemeinschaftlichen Stimmung geschmeidig uns übers Wasser rudern ließen. Ein toller gemeinsamer Abend und auch ein würdiger Abschluss von der wunderbaren Zeit mit diesen unglaublichen Menschen.
Mit einigen Komplikationen erreichten wir einen Tag später Delhi, wo wir Frieder und Christian heiter und munter wiedertrafen. Die Kinder fuhren mit Vinod am gleichen Tag mit dem Zug zurück nach Bodhgaya, wo sie nun wieder sicher mit ihren Familien zusammen sind.
Wir befinden uns nun im RAK International Hotel in Delhi und warten. Heute war diese nationale Ausgangssperre, welche wie eine Art Testlauf angesetzt war. Die Regierung wollte damit beobachten, wie die Bevölkerung in so einer Situation reagieren würde. Dabei wurde dieser Tag sehr strickt vom Militär kontrolliert. Es waren jegliche Ausgänge aus dem Haus verboten, abgesehen von wirklichen gesundheitlichen Notfällen. Somit machten wir uns heute einen sehr entspannten Tag auf der Dachterrasse unseres Hotels. Da uns Abhi gestern mit genug Essen und Trinken eingedeckt hatte und der Hotelbesitzer uns sehr sehr fürsorglich mit hausgemachten Frühstück versorgte, fehlte uns heute an gar nichts. Ein Tag einfach mal nichts tun, in der Sonne liegen, die Zeit reflektieren, lachen und spaßen, tat wirklich mal sehr gut, nach diesen wirklich aufregenden, arbeitsintensiven knappen drei wunderschönen Monaten.
Abschließend bekamen wir die Information, dass ab Mittwoch nun die „Government Flugzeuge“ aus Deutschland kommen würden und wir dann wieder sicher nach Deutschland gebracht werden.
Also, in den nächsten, letzten Tagen werden wir nun den Film endgültig fertigstellen, das indische Leben noch einmal auf uns wirken lassen und nicht den Kopf in den Sand wegen dieser gesundheitlichen Krise stecken. Sie ist zu etwas größerem, unkontrollierbaren für uns geworden und wir werden nun einfach das Beste aus dem ziehen, was uns noch übrig bleibt. Eins haben wir nämlich aus diesem Zustand gelernt. Pläne müssen wir nicht mehr machen, sie würden eh nur schief gehen. Nehme alles so wie es ist und mach das bestmögliche draus.
Danke, Indien für diese unglaubliche Zeit. Ich werde sie nie vergessen.
Sarah